Jeder hat sie schon einmal gesehen, ob nun auf einer Postkarte, in einer Dokumentation im Fernsehen oder in Geschichtsbüchern für den Unterricht: die Padaung mit ihren sogenannten Langhalsfrauen. Einem der ungewöhnlichsten Völker Südostasiens angehörig, leben sie direkt an der thailändisch-burmesischen Grenze. Die Frauen des Volkes pflegen den Brauch mehrere Ringe (früher aus Gold, heute aus Messing) um den Hals zu tragen, um ihn optisch zu strecken.
Das Wort Padaung bezieht sich wortwörtlich auf den Halsschmuck der Frauen, wonach »pa« übersetzt so viel heißt wie »drumherum« und »daung« für »glänzendes Metall« steht.
Schon kleinen Mädchen im zarten Alter von 5 bis 8 Jahren wurden früher bereits die schweren Messingringe um den Hals gelegt; verbunden mit einer komplexen Zeremonie, die nur an einem bestimmten (von einem Dorf-Schamanen errechneten) Tag erfolgen durfte. Am Jahrestag der Zeremonie wird von Jahr zu Jahr ein weiterer Ring angelegt, bis der Hals fest von den Ringen gehalten wird und nahezu unbeweglich bleibt.
Untersuchungen ergaben, dass die Halsmuskulatur und die Halswirbelsäule nur bis zu einem gewissen Stadium gestreckt werden kann, und dass sich unter dem Gewicht der Ringe die Schlüsselbeine der Frauen verformen. Die Halsmuskulatur ersetzend, ist bei Abnehmen der Ringe der Hals nicht im Stande das Gewicht des Kopfes selbst zu tragen. Sich diesen Umstand bewusst, wurde im Laufe der Zeit das Tragen der Messingringe zur Überlebensfrage, nämlich genau in den Momenten, wo man untreuen Ehefrauen als Strafe die Ringe abnahm. Damit blieben diese Frauen auf ewig gekennzeichnet und man nahm ihnen auch jegliche Möglichkeit ein normales Leben zu führen.
Die Padaung erklären ihre Tradition damit, dass sie sich als Nachkommen der Schlangen- und Drachengeister sehen. Um also ihre Nachkommenschaft auch visuell zum Ausdruck zu bringen, hat man damit angefangen die Hälse der Frauen mit Goldringen so weit zu dehnen, dass eine Übereinstimmung mit den »Hälsen« der Schlangen und Drachen zustande kam.
Ähnliche Vorstellungen herrschen auch heute noch in Teilen der chinesischen Bevölkerung, die jedes Jahr den Drachengott mit einem großen Fest huldigen. Man geht davon aus, dass die Padaung aus dem Norden Chinas nach Myanmar (Burma) einwanderten und somit gemeinsame Glaubensvorstellungen mitnahmen. Bei den Padaung gilt daher jene Familie als reich und geachtet, dessen Familienmitglied die meisten Ringe um den Hals trägt. Manche der Frauen sollen in ihrem Leben bis zu 25 Ringe getragen haben und fanden dadurch höchste Anerkennung in der Gemeinschaft. »Veränderung« ist aber auch bei den Padaung angekommen und so verweigern sich immer mehr Mädchen heutzutage dieser Tradition.
Dass sich Politik mit touristischem Kalkül verbinden lässt, zeigt sich am Beispiel Thailand sehr gut. Aus keinem anderen Land sind mir Bilder besser bekannt, als jene aus Thailand, wo sich duzende Touristen auf Elefanten reitend oder neben Tigern posierend, ungeniert - und wohl keinen weiteren Gedanken an deren Wohlergehen verschwendend - präsentieren. So ist es nicht verwunderlich, dass ethnische Randgruppen in Thailand ebenfalls für den Tourismus missbraucht werden. An der Grenze zu Myanmar (Burma) hat man teilweise ganze Dörfer umgesiedelt und die wenigen Siedlungsgebiete der Padaung als Sperrzone für Ausländer deklariert. Eine Ausnahme bildet das kleine Dorf Nam Phlang Din, das von Mae Hong Son zu erreichen ist und wo die Frauen der Padaung zur Schau gestellt werden - dort längst an den touristischen Verkehr gewöhnt, verkaufen diese wiederum ihre gewebten Stoffe und Tücher. Die Touren zu den »Langhalsfrauen« oder »Giraffenfrauen« sind äußerst beliebt.
Schlimme Kopfschmerzen bereitet mir allerdings, wenn ich lese, dass ethnische Minderheiten von der Regierung Thailands als »Bedrohung der nationalen Sicherheit« angesehen werden und es diesen Menschen untersagt ist in Schulen ihre eigene Sprache zu sprechen oder Sozialleistungen zu beanspruchen. Auch wird ihnen das Ausstellen thailändischer Papiere ver-weigert. Ich weiß zwar, dass der Tourismus in den ein oder anderen abgelegenen Ortschaften der Welt für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen kann, so zerstört er doch die Ursprünglich-keit des einst Dagewesenen. Das kann den Untergang einer ganzen Kultur bedeuten. Selbst wer abseits der touristischen Pfade eine Alternative jenseits der Grenze sucht, wird hier enttäuscht: Menschenrechtsorganisationen beschuldigen die burmesische Regierung der systematischen Tötung von Ange-hörigen ethnischer Minderheiten. Das sind grausame Behaupt-ungen, die im Raum stehen und deren Wahrheitsgehalt ich vor Ort ehrlich gesagt nicht überprüfen möchte.