Heute ist es also soweit: das Ende unserer Pilgrerreise ist gekommen und wir reisen nach Santiago de Compostela - für einen Pilgerer führen nämlich alle Wege dorthin und nicht nach Rom. Wir gammeln den halben Vormittag in unserem Hotelzimmer und schauen aus dem Fenster zu wie bei der Pilgerherberge gegenüber stündlich seit Anbruch des Morgens mehr und mehr Pilgerer auf die Öffnung des Tores warten. Die Herberge macht meines Wissens nämlich erst gegen 11:00 Uhr auf oder zumindest öffnet sie erst dann ihre Pforten. Bei der Ansammlung an Pilgerfreunden kann man eine weit verbreitete Sitte beobachten: die Leute stellen ihre Rücksäcke der Reihe nach (wie sie angekommen sind) vor die Tore, um so ihren Platz deutlich zu markieren, sodass es beim Bezug der Herberge bei der richtigen Reihenfolge nachher keine Streitereien gibt. First come, first served!
Um 11:15 Uhr checken wir aus und laufen den kurzen Weg rüber zum Bahnhof, von wo aus unser Zug um 11:30 Uhr abfährt. Zumindest in der Theorie - schließlich befinden wir uns in Spanien. Nach zwei Fahrgeschäften für Luca sitzen wir tatsächlich mit nur 10 minütiger Verspätung im Zug nach Santiago. Auf geht's!
In Santiago angekommen, überrascht es mich nicht mehr, dass es meilenweit bergauf ins Zentrum der Stadt geht. Wir also der Masse hinterher. Relativ geschafft kommen wir schließlich bei einem Spielplatz an und ich lasse Luca eine Viertelstunde spielen. Danach geht es gen Osten weiter, um nach ein paar Gassen wieder rechts abzubiegen, wo man schon von weitem auf einer Anhöhe das alte Knabeninternat sehen kann, dass wir für 4 Nächte beziehen werden. Hier in Santiago ist man natürlich immerzu ausgebucht und von Pilgerschaften überlaufen, dass der werte Pilgerer seinen Pilgerpass selbst stempeln darf und so werde ich etwas ruppig auf den vorhandenen Stempel verwiesen, als ich meinen Pass zum Stempeln überreiche. Okay, selbst ist die Frau! Und der letzte Stempel geht an MICH! Gratulation, sie sind in Santiago de Compostela!
Das Zimmer in der Herberge ist genauso wie ich es mir vorgestellt habe: kalt und spartanisch - wenn auch wunderschön und geläufig! Wir ziehen uns um und gehen in die Stadt. Da Luca sich Spaghetti wünscht, müssen wir einkaufen gehen und werden auch bald nahe der großen Kathedrale von Santiago fündig. Zurück in dem ehemaligen Internat trau ich meinen Augen kaum, als ich drei älteren Damen in die Arme laufe, die ich bereits in León kennenlernen durfte. Zu allen Frauen habe ich von Beginn an eine Art von Nächstenliebe empfunden, wie ich sie vorher noch nie erfahren habe, sodass es mich umso mehr freut alle hier in Santiago wieder anzutreffen und in die Arme zu nehmen. Die Geschichten dieser (weißen) Frauen könnten nicht unterschiedlicher sein und jede dieser Damen hatte ihre eigene wichtige Rolle in ihrem Leben in Südafrika, dass ich mir ihre Worte für immer im Herzen bewahren werde. Nach einem kurzen Plausch geht es auch schon in die Gemeinschaftsküche des Hauses, wo gefühlt jede Nation zuhause ist: in dem Stimmgewusel der Leute erkenne ich u.a. Dänisch, Tschechisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch, Englisch und Japanisch!
Luca ist restlos begeistert: von der Atmosphäre, von der generellen Aufmerksamkeit, die er als Kleinkind auf sich zieht und natürlich von Mamas Nudeln! Den Rest des Abends verbringen wir - natürlich nach einer ausgiebigen Körperwäsche - in unserer "Zelle" und ruhen uns aus.
Heute wollen wir die Stadt ein wenig erkunden und benehmen uns - ausgestattet mit Stift und Stadtplan - wie echte Touristen, but first: Spielplatz!
Nach etwa einer halben Stunden Spiel & Spaß für Luca entdecken wir eine kleine Konfiserie, welche an der Hauptstraße gelegen ist, und sind sofort Feuer und Flamme! Mit Meringen in Vanille- und Erdbeergeschmack sowie zuckerverschmierten Schnuten verlassen wir das Geschäft als fröhlich grinsende Honigkuchenpferdchen und folgen den Menschen stadteinwärts bis wir zu einer Biegung kommen, an der man wahlweise nach rechts Richtung Kathedrale gehen kann oder nach links in Richtung einer Grünanlage. Wir entscheiden uns für's Grüne, nachdem das Kirchliche uns heute so gar nicht interessiert, außerdem haben wir die Kathedrale ja gestern schon gesehen - zumindest von hinten.
Unser Weg führt uns in den Stadtpark von Santiago, der äußerst gut gepflegt ist. Einem Halbkreis folgend finden wir ein Plateau mit einer Treppe, die uns hinab zu einem weiteren Spielplatz führt. Während Luca spielt, schieße ich ein paar Fotos. Dann geht es wieder bergauf bis sich der "Rundgang" des Parks schließt und wir wieder dort ankommen, von wo aus wir gestartet sind. Nun gehen wir also doch ins Stadtinnere und schlendern durch die Gassen. Überall sind Pilger! Bei der Kathedrale angekommen, schießen wir auch hier ein paar Fotos und gönnen uns an den heiligen Mauern sitzend eine kleine Tüte Chips.
Am Weg in die Herberge bogen wir aus Versehen eine Gasse zu früh ab und so führte unser Weg an einem Spielplatz vorbei. Nachdem wir diesen noch kurz bespielt hatten, waren wir auch schon bereit für's Bett.
Nach einem kurzen Frühstück in der Gemeinschaftsküche gammeln wir den halben Tag nur in unserem Zimmerchen herum. Lediglich zur Mittagszeit raffe ich mich auf und mache den Wäsche-Check: nachdem bei den Waschmaschinen im Untergeschoss immer solch ein Stau herrscht, hatte ich gestern Wäsche im Handwaschbecken gewaschen; leider ist sie noch feucht, weil es in diesen alten Gemäuern doch recht kühl ist - außerdem hat es seit letzter Nacht durchgeregnet - und wir auch Baumwollsachen dabei haben. Ich drehe sie einmal um und gehe zurück ins Zimmer.
Ein paar Snacks im Bauch und um einen ausgedehnten Mittagsschlaf reicher, ist der große Hunger nicht fern und und so geht es auf Drängen des Kleinen zum Burger King. Das Fast Food Lokal stellt sich als wahres Highlight heraus, da es eine Spielbox für Kinder gibt. Dort werden Spiele auf den Boden projiziert und die Kinder müssen mit ihren Füßen entsprechend agieren - die Spiele wechseln alle paar Minuten. Ich bekomme Luca, der eine hübsche gelbe Burger King Krone trägt, kaum mehr aus dem Spielbereich; selbst als ich mit seinen Nuggets winke, kommt er nur widerwillig. Und natürlich verschwand er auch schon wieder als er sie aufgegessen hatte. Als wir den Heimweg antreten, geht die Sonne auch schon unter...
Bevor wir abreisen, nehmen wir uns fest vor noch mehr von Santiago zu entdecken und so klappern wir alle Gassen ab, die wir noch nicht gesehen haben. Dabei stoßen wir auf weitere Pilgerer, andere Kinder (Stichwort: Spielplatz), Hochzeitsgäste, alte Busse, noch ältere Stadtmauern und jede Menge Sonnenschein.
Nachdem wir ausgiebig ausgeschlafen haben, besorgen wir uns in der Touristeninformation einen Stadtplan. Eigentlich wollte ich einen Tagesausflug zu den »Las Médulas« machen, jedoch wird die lokale Busverbindung nur in den Sommermonaten angeboten und wurde in den letzten Tagen eingestellt, also muss ich mir ein Alternativprogramm einfallen lassen.
Nach dem Frühstück, lasse ich Luca ein wenig durch das Wasserspiel am Altstadtplatz springen. Pitschnass geht es wieder ins Hotel, umziehen, während ich beschlossen habe, uns neue Sachen einzukaufen. Laut Stadtplan gibt es etwas außerhalb ein großes Einkaufszentrum, in welchem wir den Tag verbringen. Dort kaufe ich mir eine neue Leggings und Luca bekommt einen Trainingsanzug - damit sieht er aus wie ein kleiner angehender Fussballer!
Gegen späten Nachmittag sind wir zurück im Hotel, wo wir bereits ausgecheckt hatten, unser Gepäck aber dort lassen durften. Auf dem Weg zum Shoppingcenter kamen wir praktischerweise bereits am Busbahnhof vorbei, sodass wir diesen nicht mehr suchen mussten. Mit unserem Gepäck ging es nun zum Bahnhof. Als wir um 17:00 Uhr dort ankommen, übermannt Luca die Müdigkeit und ich ließ ihn eine Weile schlafen. Er war so weggetreten, dass er nicht mal mitbekam, dass ihm ein kleines Malheur passierte. Zum Glück huschten bereits ein Paar Putzfrauen herum, die natürlich sofort verstanden, was ich mit »pis« meinte als ich auf mein schlafendes Kleinkind zeigte, dem ich im Schlaf bereits die Kleidung gewechselt hatte.
Um 18:00 Uhr sollte unser Nachtbus nach Pontevedra kommen, also weckte ich Luca gegen 17:45 Uhr. Spanische Verspätung miteingerechnet, bestiegen wir den Bus, der uns an die spanische Westküste bringen sollte, um halb 7 am Abend. In Pontevedra kommen wir um 23:05 Uhr an. Unsere Pension ist nicht weit weg und wir fallen todmüde ins Bett.
Juhu, in der Pension gibt es eine Waschmaschine, also ist heute Waschtag! Gerade als ich mit dem Wäschesack das Zimmer verlassen will, sehe ich Luca im Augenwinkel kurz aufjammern, als er auch schon das halbe Bad mit Erbrochenem bedeckte. Oje, dem Armen muss es gestern Abend im Bus den Magen verdreht haben. Die Putzfrauen taten mir so leid, aber sie waren so unendlich lieb, wie sie feinsäuberlich Luca seine Spielfiguren und Autos putzten und wieder in der Dusche an ihrem Platz ablegten. Mit ein paar wenigen Schlucken Wasser im Magen, wagen wir beide uns zum Waschen, wo eine Kiste mit Spielsachen steht, die dem Sohn des Besitzers gehören. Damit ist alles wieder vergessen und Luca spielt mit einem großen Laster. Die Frau des Besitzers kommt dazu und ich erzähle ihr, dass wir ein wenig in die Stadt gehen und ich die Wäsche danach rausholen werde. Mit einem einladenden Lächeln versichert sie mir, dass sie, da sie auch Wäsche hat, unsere Wäsche nach dem Waschgang einfach in den Trockner geben werde, dann wäre sie trocken bis wir wieder da sind. Herrlich! Wieso gibt es nicht mehr solch entgegenkommenden Menschen?
In der Stadt führt uns der Weg direkt - wie soll es auch anders sein - zu einem Spielplatz. Als ich Hunger auf ein Eis bekomme, frage ich Luca, ob er auch eins möchte oder ob er Angst wegen seinem Magen habe. Was stell ich auch für doofe Fragen?! Eis geht natürlich immer und schon stehen wir in einem dieser vielen kleinen Asia-Märkte, wobei dieser war mehr ein Afro-Markt, und gönnten uns Eis am Stiel. Yummy! Danach führt unser Weg in eine Bäckerei, wo wir uns spanische Brötchen kauften und auch im örtlichen Supermarkt ein paar Straßen weiter decken wir uns mit dem Üblichen (Brot, Wurst, Käse, Joghurt) ein. Inzwischen wandern hier auffällig viele Pilgerer umher, die den Camino Portugués gehen und in Pontevedra ihre letzte Station haben, bevor sie alle ihr großes Ziel erreichen.
Gegen Mittag bekommt Junior verständlicherweise wieder Hunger, da er ja nur Wasser und Eis im Magen hat. Zurück in der Pension setzen wir uns auf der Terrasse vor dem Hauseingang an einen Tisch, weil es - wie in unserer letzten Pension auch - ein Restaurant im Haus gibt. Mit vollem Magen und der frisch gewaschenen Wäsche geht es ins Zimmer und es wird geschlafen.
Gegen späten Abend wachen wir wieder auf und erkunden weiter den Ort, spazieren durch mehrere Parks und genießen die laue Abendluft. Luca liebt es im Dunkeln draußen zu sein! Nach etwa 2 Stunden sind unsere Beine müde und wir lassen uns in einem alten Gasthaus, das gerade schließen will, ein Taxi rufen. Zurück im Zimmer buche ich unsere Zugverbindung für den nächsten Tag. Nächster Halt: Santiago de Compostela!
Tag 20 unserer Reise beginnt. Ich packe unsere Sachen und langsam schlendern wir durch die Stadt in Richtung Bahnhof, wo wir gestern schon unsere Tickets für unsere heutige Zugfahrt abgeholt haben.
Dort angekommen spielt Luca mit ungenutzten Absperrbändern, wie man sie von Flughäfen kennt - ich habe es ihm unter der Bedingung erlaubt, dass er am Ende alles so belässt wie wir es vorgefunden haben, sodass es keinen Ärger gibt; wenn er also eine Absperrung öffnet, muss er sie wieder schließen.
Nach etwa 10 Minuten bekommen die Damen mittleren Alters hinter den Ticketschaltern die Vollkrise und schreien hysterisch durch die Lautsprecher auf mein Kind ein. Ich habe die beiden schon eine Weile im Auge und bereits mit einer Reaktion gerechnet, aber nicht mit so einer unangebrachten. Verwundert über eine etwas andere Art von „Kinderfreundlichkeit“ nehm ich mein Kind mit - nein, keinem schuldbewussten - einem strafenden Blick in Richtung der Damen für die fehlende Kinderliebe an die Hand und setze mich nach draußen. Dort schließt Luca auch schon Freundschaft mit einem Pudel und ist erst einmal von seiner Langeweile befreit.
Bevor man in einen Zug steigt, wird man hier streng kontrolliert und nur wer ein Ticket vorweisen kann, wir auf das Gleis vorgelassen. Die Zugfahrt an sich ist sehr angenehm.
In Ponferrada angekommen, stelle ich fest, dass viele kleinere Bahnhöfe in Spanien gerne auf Bergen gebaut wurden - wahrscheinlich um eine gerade Streckenführung (d.h. ohne wesentliche Änderung des Höhenprofils) zu gewährleisten. Es geht also erstmal bergab - natürlich nicht ohne Spielplatzpause. Langsam glaube ich, dass es entweder in keinem Land so viele Spielplätze gibt wie in Spanien oder dass wir einen inneren Kompass für Spielplätze besitzen.
Unten in der Stadt angekommen, geht es auch schon wieder über eine Brücke und bergauf, direkt an der Burg vorbei. Der „Aufstieg“ wäre aber weniger beschwerlich ohne einen 10 kg schweren Rucksack auf dem Rücken. Zu unserem Glück besteht unsere Pension auch aus einem Restaurant im unteren Bereich, sodass während der Siesta nicht geschlossen ist, sondern eine Aufsichtsperson vor Ort ist. Nachdem wir unser Zimmer bezogen haben, welches genau gegenüber der Burg ist, erhaschen wir von unserem Balkon schon einen fantastischen Blick auf diese und beschließen ihr sofort einen Besuch abzustatten - also Pilger bekommt man sogar vergünstigte Eintrittspreise. Wir verbringen den gesamten restlichen Nachmittag in der Burg und verlassen sie erst bei untergehender Sonne.
Den Abend lassen wir bei einer Portion Pommes ausklingen und gönnen uns zurück im Hotel ein wunderbares Schaumbad, bevor wir schlussendlich ins Bett hüpfen.
In León angekommen erdrückt mich wieder einmal die schwüle Hitze, die hier in Spanien zu dieser Jahreszeit noch herrscht. Der Busbahnhof ist nüchtern ausgestattet, aber es befindet sich dennoch ein kleiner Kiosk im Gebäude, den ich sofort aufsuche, weil ich dringend etwas in meinem Magen brauche und alle Vorräte bereits aufgebraucht sind. Wir kaufen zwei Schinken-Käse-Sandwiches, ein Paar Chips, Eistee und Cola. In der Halle überredet mich Luca in eines dieser kleinen Fahrgeschäfte für Kinder zu investieren, während ich meine Cola genieße. Dabei komme ich ins Gespräch mit einem Pilgerer, der den klassischen Camino hier beginnen möchte. Er begleitet uns noch über eine Brücke stadteinwärts, wo der nächste Spielplatz auf uns wartet und ich gezwungen bin eine kurze Pause einzulegen. Danach trennen sich unsere Wege.
Unser Hostel ist schnell gefunden und alles was ich denken kann ist "Wow! Was für ein Schmuckstück!" - es handelt sich wohl um eine alte spanische Bauernwohnung, deren Küche komplett erhalten geblieben ist und wunderbar renoviert wurde, sodass sie mit ihrem kräftig-dunklem Holz zum Verweilen förmlich einlädt. Ich fühle mich gleich wohl, auch wenn unser Zimmer penetrant nach Schweiß stinkt. Wie sich später herausstellte, hatte sich ein brasilianischer Pilgerer leicht übernommen und sich eine Verstauchung am Fußgelenk zugezogen, was ihn dazu veranlasste seinen Aufenthalt hier auf unbestimmte Zeit zu verlängern - und bislang musste er sein Zimmer mit niemanden teilen, was den abgewohnten Geruch begründete.
Noch beim Einchecken ins Hostel weihte Luca die Toilette ein, ich nutzte währenddessen die Zeit, um unsere Sachen auszupacken und mich kurz frisch zu machen. Danach ging es mit dem (völlig überteuerten) Touristenzug durch León. Die durchweg überzogen teuren Preise der Stadt sind wohl hauptsächlich der Pilgermassen zuzuschreiben, schließlich ist León eine Etappe auf dem Camino Frances.
Danach ging es relativ früh ins Bett. Glücklicherweise tauschte der Brasilianer mit uns sein Bett bzw. seine Matratze mit uns, sodass wir nicht oben schlafen mussten, da die Betten nicht abgesichert waren, und ich wohl, vor lauter Höhenangst und Angst einer von uns würde nachts aus dem Bett fallen, kein Auge zugemacht hätte.
An diesem Tag schlendern wir durch die Gassen der Stadt, eine sehr alte Stadt - wie viele in Spanien. Zu Mittag gönnen wir uns eine Stunde Schlaf, um uns am Abend energiegeladen zu fünft in der Küche bei Pizza und Wein wiederzufinden und alle gemeinsam über das Leben zu sinnieren. Innerlich bereite ich mich schon auf unsere Abreise morgen vor und damit auch auf das beginnende Ende unserer Reise.
Am frühen Morgen stehen wir auf, sortieren unsere Sachen und essen die Reste unserer Lebensmittel - vor allem den in Spanien lieben gelernte Erdbeerjoghurt, mmmmmhh! Frisch herausgeputzt und voller Energie geht es durch die engen Gassen der Altstadt und dann immerwärts bergauf zum Bahnhof. Die Sonne ist noch gnädig, aber man merkt deutlich, dass es auch heute wieder sehr heiß werden wird.
Am Bahnhof angekommen, ist der Ticketschalter nicht besetzt, dass wird er wohl auch erst 5 Minuten bevor unser Zug eintrifft. So langsam beginne ich die Spanier um ihre lockere Arbeitsmoral zu beneiden... wir setzen uns also draußen auf eine Bank und naschen unsere letzten Süßigkeiten. Ein Spanier mit afroamerikanischer Herkunft verwickelt mich in ein kurzes Gespräch und schwärmt davon, wie toll er doch Berlin fand als er ein paar Monate bei einem Freund dort lebte. Das Gespräch ebbte aber schnell wieder ab, weil ich leider sogar nichts zur deutschen Hauptstadt sagen kann außer, dass ich dort Familie habe. Einen Besuch habe ich in all den Jahren sträflich vernachlässigt. Was mein Gesprächspartner so gar nicht nachvollziehen kann ist, dass ich zwar Deutsche bin, aber in Wien lebe. Ich wünsche ihm einen schönen Tag, auch wenn er diesen wohl im Krankenhaus verbringen wird, da er seit Wochen mit Magenproblemen zu kämpfen hat. Ich hoffe für ihn, dass es nichts ernsteres ist und gehe zum Ticketschalter, der inzwischen geöffnet hat. Wie immer bekommt auch »el niño« ein Ticket (mit dem Wert 0,00 €).
Wir fahren gefühlt nur etwa 25 Minuten nach Oviedo, obwohl die Fahrt tatsächlich wohl mindestens 20 Minuten länger gedauert hat. Im Bahnhof von Oviedo angekommen, schaue ich wohl derart ratlos drein, dass mir sofort eine Frau entgegenkommt, um mir den Weg zum Ausgang zu zeigen: es gibt eine Rolltreppe nach oben. Ich steige drauf - und Luca nicht, merke ich als ich schon oben angekommen bin und mir ganz bange wird, denn eine Treppe nach unten gibt es hier nicht. Es fährt lediglich diese eine Rolltreppe nach oben. In dem Moment wo Luca kurz davor ist einen Weinkrampf zu bekommen, kommt auch schon eine Person ums Eck und fährt gemeinsam mit ihm zu mir nach oben - wo ich mir gerade in meinem Kopf ausmalte wie ich diese Rolltreppe entgegen der Fahrtrichtung nach unten springe, so wie ich es als Kind immer machte, nur dass ich jetzt etwa 25 Jahre älter war. Aber was tut man nicht alles für seine Kinder! Zur meiner Erleichterung muss ich heute jedenfalls nicht den Superhelden spielen. Hand in Hand gehen wir aus dem Bahnhof und die brütende Hitze empfängt uns - puh, dann doch erstmal eine Pause und Wasser trinken bis der Kreislauf sich an die Schwüle gewöhnt hat. Wie der Zufall es will, gibt es in der Nähe einen kleinen Spielplatz, wo auch schon Kinder in süßen schwarzen Schuluniformen herumturnen.
Nach dieser Spielpause geht es weiter durch die Straßen von Oviedo direkt ins Industriegebiet, bis wir bei unserem Hotel ankommen. Das Ibis Budget war günstig, aber es ist wirklich weit weg vom Schuss. Ich ahne schon, dass wir die nächsten Tage mit dem Taxi hierher zurückkommen werden.
Den restlichen Tag gehen wir auf Erkundungstour durch die Stadt, die wirklich wunderschön und vor allem auch grün ist. Nach einem Restaurantbesuch in der Innenstadt geht es am späten Abend gen 22:00 Uhr tatsächlich mit dem Taxi ins Hotel.
Nachdem Luca in Oviedo aus meinem Bett ausgezogen ist, weil es im Hotelzimmer ein eigenes Hochbett für Kinder gibt, wird erstmal ausgiebig gekuschelt bis der Hunger nach uns ruft und wir uns durch das Frühstücksbuffet essen. Luca hat seine Liebe zu Cornflakes neu entdeckt, während ich mich mit einem klassisch französischem Frühstück eindecke. Wir sitzen draußen auf der Dachterrasse des Hotels und genießen die ersten wärmenden Sonnenstrahlen. Gestern bei meinem gewohnten Gute-Nacht-Kaffee konnte man von hier aus ein wahres Sternenmeer am Himmel sehen.
Heute ist ein Ausflug nach Gijón geplant, aber noch fehlt es an Motivation, weshalb wir kurz in die Stadt laufen, um beim Bahnhof einkaufen zu gehen und uns wieder mit haltbarer Nahrung und genug Obst einzudecken. Damit geht es auch schon wieder zurück. Am Weg zum Hotel liegt ein Mini-Spielplatz, auf dem wir noch einen Augenblick verweilen.
Nach einem kurzen Mittagsschlaf eilen wir dann doch noch zum Busbahnhof, kaufen hastig zwei Tickets und sitzen auch schon im Bus nach Gijón. Dort angekommen gibt es neues Obst von der Frutería und finden Erdbeeren schmatzend relativ schnell zum Strand - ich schwör's, ich habe einfach eine Nase für's Meer!
Irgendwo hier an der Strandpromenade ist das Aquarium gelegen, welches wir besuchen wollen. Als ein älterer Herr mein Weg kreuzt, spreche ich ihn an und frage nach dem nach dem Weg. Der meint auf Spanisch etwas von „weit weit weg, zu viel zu laufen“, dabei landet sein Blick auf Luca und bleibt dort verharren. Hmm, ich frage weiter was denn dieses „weit“ in Zeit bedeutet und er antwortet wieder mit weit aufgerissenen Augen „mehr oder weniger 45 Minuten“. Na gut, denke ich mir, und lasse das so stehen. Auch wenn wir vielleicht nicht die klassischen Fußpilgerer sind, so sind wir es doch gewohnt jeden Tag auf den Füßen zu sein, daher beschließe ich einfach der Promenade zu folgen. Wir kommen an einer Tafel vorbei, auf dem unser Standort abgebildet ist - laut der Karte ist das Aquarium am Ende der Strandzunge zu finden. Das sind kaum mehr als 15 Minuten, denke ich, und wundere mich über die grobe Überschätzung des Spaniers. Vielleicht gehen die spanischen Herrschaften einfach langsamer? Vielleicht bin ich, da ich in Stuttgarter Umgebung aufgewachsen bin und dort erwiesenermaßen deutschlandweit die Menschen den schnellsten Schritt haben, ja auch einfach zu schnell? Wer jedenfalls Gemütlichkeit sucht, sollte sie nicht in Bayern oder im heimischen Österreich suchen, sondern sich in Spanien niederlassen.
Keine 10 Minuten später sind wir auch schon im Aquarium und bewundern die wunderschöne Welt der Meerestiere. Die Fotos sind mir von allen auf der Reise mit die liebsten, da sie eine so typische Momentaufnahme aus dem Leben eines Kindes festhalten; auch wenn Luca vielleicht keine Kindheitserinnerungen an das spanische Aquarium haben wird, so werde ich diese Bilder nie mehr vergessen.
Mit dem Zug geht es wieder zurück nach Oviedo.
Heute lassen wir es langsam angehen und verbringen den Vormittag in unserem Hotelzimmer. Kurz nach dem Auschecken vergesse ich meine Lebensmitteltasche an der Rezeption und muss noch einmal umkehren. Kaum aus dem Hotel draußen, geht es auch schon wieder rein, weil es in Strömen angefangen hat zu regnen. Regenfest geht es zum Busbahnhof und sitzen bald schon im Bus nach León.
Der heutige Morgen sollte uns mit strahlendem Sonnenschein belohnen und so stampften wir fröhlich gen Innenstadt, um uns noch ein kleines Frühstück zu gönnen, was in der Regel aus einer Süßspeise plus »café con leche« und einer »leche sola por el niño« bestand. Frisch gestärkt freuten wir uns darauf, dass wir heute nicht mit Reiseübelkeit kämpfen müssen - hatte ich doch extra eine Zugverbindung für heute gebucht.
Am Bahnhof angekommen, hole ich unsere Tickets nach Ribadesella und möchte schon voller Freude von dannen ziehen, da gibt mir der Mann hinter der Scheibe den dezenten Hinweis, dass diese Verbindung heute mit einem Bus geführt wird. Sofort vergeht mir mein Lächeln. „El autobus?“ frage ich ungläubig, nur um mir die Aussage noch einmal mit einem kräftigen „Si si!“ bestätigen zu lassen. Wir lassen uns also bei der bereits wartenden Meute aus überwiegend spanischen Rentnern im Innenhof des Bahnhofes nieder und warten auf den Bus - mit der üblichen Verspätung kam er dann auch und stellte sich als kleine wackelige Büchse mit gerade einmal 18 Sitzplätzen heraus. Mir wurde schon beim Anblick übel. Leute, wer reisekrank ist und in Bussen gegen andauernde Übelkeit ankämpfen muss, für den ist solch eine Wackelfahrt ein Horror... aber irgendwie haben wir am Ende auch diese Fahrt gemeistert!
Angekommen im Küstenort Ribadesella, checkten wir erstmal in unser Hotel ein und machten eine kurze Runde durch den Ort. Da ich mich jedoch bereits am Vortag verkühlt haben musste, gab mir der scharfe Wind, der die Wellen stark gegen das Ufergestein der Landzunge peitschte, wahrlich den Rest. Ich brauchte dringend Schlaf.
Nach einem ausgedehnten Mittagsschlaf versuchten wir uns an traditioneller Küche und saßen in dem wohl teuersten Lokal des Ortes. Weil ich so krank war, kann ich mich auch nicht mehr erinnern, ob wir danach noch etwas gemacht haben - ich nehme an, für uns ging es wieder ins Bett. Um mich auszukurieren und weil es uns hier so gut gefiel, verlängerte ich unseren Aufenthalt jedoch noch um einen weiteren Tag.
Zum Frühstück gönnten wir uns heute die wohl teuersten und fettigsten Churros in ganz Spanien. Gleich im Anschluss brachte ich unsere Postkarten zur Post, die ich nun doch schon ein paar Tage mit mir herumschleppte, ohne bisher die Gelegenheit gehabt zu haben eine örtliche Post ausfindig machen zu können. Trotz offensichtlicher Erkältung machte mich das an diesem Tag sehr stolz!
Den Rest des Tages verbrachten wir mit einem ausgedehnten Spaziergang durch den Ort. Ribadesella ist durch einen Fluss, der hier in das Meer mündet, in zwei Hälften geteilt, sodass wir nun den Teil erkunden wollten, der sich auf der anderen Seite des Wassers befand. Wir fanden sogar an einem Bach gelegen einen wunderschönen Spielplatz mit Holzspielgeräten, wo am Ende das obige Bild entstand. Ich finde das Bild einfach nur gewaltig.
Nach so einem schönen und vor allem sonnigen Tag, konnte es also weitergehen. Dieses Mal aber wirklich mit dem Zug. Nächster Stopp: Oviedo!
Nachdem bereits am Vorabend alle paar Stunden aufgrund irgendeiner Festivität irgendwo Kanonenschüsse abgefeuert wurden, bekam ich kaum Schlaf und war spätestens um 6:00 Uhr putzmunter. Man stelle sich einmal vor, wie laut die Schüsse gewesen sein müssen, wenn ich sie trotz der Oropax höre, vom »Asado« hingegen, welches auch bis in die frühen Morgenstunden ging, jedoch nichts mitbekam.
Am Vorabend unterhielt ich mich mit der Gastgeberin, die mich darauf hinwies, dass der Bus, der uns zum nächsten Ort bringen sollte, am Wochenende nur einmal täglich fahren würde, und zwar zur Mittagszeit. Wow, es war tatsächlich bereits Wochenende! Ich hatte überhaupt kein Zeitgefühl und wusste nicht mal mehr welcher Tag war. Es galt also die nächste Etappe ebenfalls zu Fuß zurückzulegen.
Um 8:00 Uhr waren wir auf den Beinen und machten uns auf zum 6 km entfernten San Vicente de la Barquera, ein altes Fischerdorf, das eigentlich ganz schön ist, mir an dem Tag aber zu touristisch erscheint. Verärgert darüber den Ort als Ursache für meinen fehlenden Schlaf ausmachen zu können, da hier am Hafen die krachenden Schüsse abgeschossen werden, buchte ich mir den nächsten Bus nach Llanes. Außerdem regnete es in Strömen. Ich wollte einfach nur weg und wünschte mir für die kommende Nacht einen ruhigen Schlaf.
Gesagt, getan - und so ging es um 14:00 Uhr mit dem Bus weiter nach Llanes. Der Regen wollte auch hier nicht aufhören traurig vom Himmel zu fallen. Die Wunschunterkunft direkt beim Bahnhof
war bereits voll, und so fanden wir uns am Ende - klatschnass - in der spartanischsten Unterkunft unserer Reise wieder: ein Schüler- und Studentenwohnheim. Hier teilten wir uns mit einer
polnischen Mitpilgerin, die auch Deutsch sprach, ein Zimmer - mit ihr ließen wir den Abend bei einem Italiener mit Blick auf die Stadt ausklingen und hatten anschließend eine ruhige (wenn
auch sehr kalte) Nacht.
Von Comillas geht es bei brütender Hitze zu Fuß 5 km weiter nach La Revilla. Bravo, denn Luca hat sein Frühstück komplett verweigert. Ich nehme an ihm hängt das spanische Frühstück, welches hier den Touristen angeboten wird, schon zum Hals raus - es ist immer ein süßes Stückchen und ein Kaffee bzw. für ihn Milch. Aus Angst, dass ihm die Temperatur zusetzen wird, halte ich unterwegs Ausschau nach Bus oder Taxi. Vom beidem keine Spur. Zur Not müssten wir trampen. Als die Sonne an ihrem höchsten Punkt steht, führt uns eines Weggabelung in eine kleine bewaldete Einbiegung, wo wir uns niederlassen. Snackpause. Ein Blick ins iPad sagt mir, dass es nicht mehr weit ist. In etwa 25 min Entfernung gibt es ein Campingplatz, wo ich mir erhoffe durch kurz auszuruhen - vielleicht haben sie ja auch Zimmer frei? Wenig später versuche ich mein Glück, und laufe die steile Auffahrt hinauf, aber nein, alles belegt. Dann sehe ich ein Restaurant und freue mich. Wir holen uns Snackdosen und verputzen die Nüsse und getrockneten Maiskörner auf einen Schlag, weiter geht's mit Eis - was für eine Wohltat!
Wenig später verlassen wir den Campingplatz und gehen weiter die Landstraße entlang. Weit und breit nichts außer Wiese. Hier und da mal ein paar Kühe. Alle 5 min mal ein Auto. Wenigstens leckere Brombeeren am Wegesrand... bis wir ein Schild sehen zu der Surferunterkunft, die ich angefragt hatte. Natürlich müssen wir erst einmal wieder einen gewaltigen Anstieg hinter uns bringen. Kaum angekommen klingle ich beim Familienhaus, aber keiner öffnet mir die Tür. Die anderen Räumlichkeiten sowie Toiletten, die offensichtlich zu den Gasthäusern gehören, stehen offen. Höflich wie ich bin, lege ich meine Sachen draußen ab und niste mich nicht in eines der Betten ein, auch wenn ich ein kleines Nickerchen gebrauchen könnte. Ich hatte die Inhaber auf Spanisch via Facebook kontaktiert; sie wissen also, dass wir kommen. Höchstwahrscheinlich wird gerade Mittagsschlaf gemacht - weil: Siesta! Mitten in der Pampa lasse ich mich auf die ausgelegten Yogamatten nieder und döse vor mich hin, während Luca mit den vorhandenen Spielzeugen spielt. Kinder gibt es hier offenbar also auch welche.
Am Abend - nachdem auch unsere Gastgeber und ihre beiden Kinder ausgeschlafen und uns einquartiert hatten - kamen etwa 6 bis 8 Gäste, private Bekannte unserer Gastgeber, darunter auch ein weiteres Kind. Von allen vier Kindern sah man etwa 2 Stunden lang nichts, sie spielten Verstecken oder bauten sich Höhlen aus Decken und Sitzkissen - Sprachbarrieren existieren unter Kindern nicht. Wie sich herausstellte, wird es ein großes Grillfest - ein sogenanntes »Asado« - gefeiert, also freundete ich mich schon einmal mit dem Gedanken an, die kommende Nacht mit Ohrstöpfseln schlafen zu müssen. Bei Luca hingegen dauerte es nach all dem Gespiele und einer abschließenden warmen Dusche nicht lange bis er ins Land der Träume fand.
Früh um 7:30 Uhr werde ich von Luca geweckt, der das dringende Bedürfnis einer Morgentoilette verspürt. Gemeinsam gehen wir durch die Gänge des alten Buben-Internats - die Toilette befindet sich dabei genau neben dem Schlafsaal, wo mir tatsächlich noch mein Pilgerfreund begegnet. Ein wenig Smalltalk und dann verabschieden wir uns auch schon wieder.
Gegen 10:00 Uhr frühstücken wir und vereinbaren mit dem Besitzer, dass er uns in die nächste Ortschaft fährt, um Bargeld abzuheben, da ich keines mehr habe und es in diesem Dorf weit und breit keinen Geldautomaten gäbe. Und ich brauche Bargeld, um das nächste Busticket zu bezahlen. Wenig später sitzen Luca und ich auch schon in seinem Auto... Eine äußerst große Geste von ihm!
Zurück in der Herberge packe ich meine Sachen und wir machen uns auf zur Bushaltestelle. Am Wegesrand zeltete gestern noch ein französisches Paar, welches mit Hund und Esel den Jakobsweg bestreitet. Eine übliche Art bei Franzosen, wie ich hörte - leider waren sie zum Bedauern von Luca schon wieder weg als wir an dem Rastplatz vorbeikamen. Die Bushaltestelle befand sich unten im Dorf, direkt an der Hauptstraße. Mit der üblichen Verspätung von etwa 25 Minuten kam auch schon unser Bus nach Comillas.
In Comillas angekommen, bahnen wir unseren Weg durch die Straßen... mir ist unsagbar heiß und ich würde am liebsten sofort ins Meer springen; doch ich weiß, dass Luca eine kleine Auszeit braucht und es besser ist erst wieder rauszugehen, wenn die Mittagshitze sich deutlich abgekühlt hat - außerdem haben wir das Prinzip der Siesta derart verinnerlicht, dass wir ohne unseren mittäglichen Schönheitsschlaf kaum funktionieren. Ein Blick auf mein iPad verrät mir, dass unser Hotel etwa 15 Minuten zu Fuß am Ortsrand gelegen ist. Nun gut, dann kämpfen wir uns mal bergauf durch die brütende Hitze - kaum losgelaufen erblicke ich mir eine bekannte Gestalt in der Ferne, er grinst schon als ich ihn schließlich erkenne: unsere Pilgerbekanntschaft der letzten Tage aus Mainz, kurz geplaudert und weiter geht's. Im Hotel selbst, fallen wir auch schon ins Bett und schlafen friedlich ein.
Gegen späten Nachmittag stehen wir wieder auf. Unten in der Stadt angekommen, weihen wir mal wieder einen Kinderspielplatz ein und fahren auf Drängen des Kleinen mit dem Touristenzug, der eine große Runde durch die Ortschaft fährt, sodass ich beschließe die Stadt nicht weiter zu Fuß zu erkunden; wir bahnten uns nach der Tour lediglich unseren Weg durch die Innenstadt und sprangen frohen Mutes endlich ins kalte Wasser! Wie gut das tat! Nach einem ausgiebigen Strandbesuch machten wir uns bei Sonnenuntergang wieder Richtung Hotel auf, wo wir heiß badeten und ein herzhaftes Abendessen auf dem Balkon genossen.
Angespornt vom Elan der anderen Mitpilgerer treffen wir uns alle um 8:00 Uhr zum Frühstück. Gegen 8:30 Uhr verlassen wir unsere Herberge und machen uns auf den Weg nach Cóbreces. Das nächste Dorf im Nirgendwo. Aber die Landschaft durch die wir wandern ist ein Traum. Wir pfeifen und trällern Lieder und weil ich ein schlechtes Gedächtnis habe, fallen mir nur Texte von Liedern aus den 80er Jahren ein, die bei Luca nicht so gut ankommen wie z.B. "Bruder Jakob" - nun gut, trällern wir also abwechselnd Bruder Jakob auf Deutsch und auf Französisch vor uns hin. Zwischendurch schicke ich ein Update-Video an meine WhatsApp-Gruppe, um kurz darauf etwa 20 Kühen beim Verspeisen von frischem Gras zuzuschauen. Das ist mal ein Anblick!
Eines weiß ich heute ganz genau: so viel wandern wie gestern werde ich heute sicher nicht. Ich hoffe einfach, dass mich ab Caborredondo (eine Ortschaft auf Hälfte der Strecke, nach ca. 4 km Fußmarsch) ein Bus oder Taxi nach Cóbreces fährt. Dort haben sich zwei meiner Mitpilgerer mit mir verabredet. Auf dem Weg machen wir an einem winzigen Dörfchen an einem Trinkbrunnen halt. Dort treffe ich eine Deutsche, die auf dem Jakobsweg zu sich selbst finden möchte, sowie eine Herrengruppe bestehend aus 4 Männern, die das Ganze wohl überwiegend aus Jux machen und sich schon nach der nächsten Runde Bier sehnen. Luca will noch ein wenig spielen, als mich ein Dorfbewohner anspricht und mir erzählt, dass er erst am gestrigen Tage einer Australierin begegnet sei, die mit Baby unterwegs ist. Er sagte "seitdem erstaunt mich nichts mehr" und meinte weiter, dass es sehr mutig sei, wenn man mit Kind den Jakobsweg ginge - ich antwortete sinngemäß etwas wie: "Die Welt ist nicht unser Feind, es sind die Grenzen, die wir uns selbst aufbürden und deshalb nicht wagen auch mal unbekannte Wege zu gehen." Mit den besten Wünschen zogen wir weiter...
Kaum erreichen wir Caborredondo kommt mir eine Pilgerin entgegen - gerade als ich "Buen Camino" sagen möchte, mustert sie mich eindringlich und fragt: "Are you German?" - "Yes, I am!" sage ich. Sie erzählt mir, dass sie von 4 Herren von mir gehört hat und selbst den Jakobsweg geht, allerdings umgekehrt, von Santiago bis Bilbao. Sie sei den Herren vor etwa 15 Minuten begegnet und sie soll mir ausrichten, dass die Herren im örtlichen Restaurant sitzen und auf mich warten. Ich danke ihr und eile stadteinwärts. Müde und hungrig komme ich bei dem besagten Restaurant an und sehe die Herrschaften auch schon wie sie sich bereit machen weiterzuziehen. Wir tauschen ein paar Worte und dann ließ ich sie weiterziehen. Im Restaurant erkundige mich dann nach einer öffentlichen Verbindung nach Cóbreces. Die Kellnerin sucht in allen möglichen Regalen und Schubladen und zückt schließlich einen Busfahrplan. "Cinco minutos!" schreit sie fast hysterisch und schiebt mich auch schon aus dem Restarant, erklärend, dass er nächste Bus erst in 4 Stunden wieder käme. Glück im Ünglück würde ich sagen, denn so rannte ich schmerzenden Fußes, mit dem Kind auf den Armen und hungigem Magen zur besagten Bushaltestelle, um genau diesen einen Bus noch zu erwischen. Leider ähnelte in dem Ort nichts einer Bushaltestelle, sodass ich an der Ecke einer Einbiegung wartete, die mir ein paar spielendende Kinder am Weg als die Haltestelle beschrieben haben. Ich wusste nicht, ob ich richtig stand und begegnete just in dem Moment dem Blick eines Mannes, der gegenüber in seinem Garten gerade seine Blumen goss. Ich ging auf ihn zu und fragte ihn, ob er wisse, wo der Bus anhalte. Er nickte und sagte nur "aqui!", was so viel heißt wie "hier" und zeigte auf seinen Zaun. Gut, dachte ich, setz ich mich mal auf den Boden und warte. 15 Minuten später kam ein Bus und ich winkte wie eine Blöde.
Nach 10 Minuten Fahrt in Cóbreces angekommen, wollte ich nur noch meine Sachen los werden und endlich etwas essen! Der Besitzer der Herberge vor Ort schien mir ein echter Charmeur - wenn auch auf ruppig-sonderbare Art - zu sein, der sich aufgrund seines früheren Weltenbummlerlebens sogar in Deutsch mit mir unterhielt. Ich bezahlte den Preis für ein Mehrbettenzimmer und bekam am Ende ein Einzelzimmer und einen persönlichen Aufpasser gestellt (wohl ein Bekannter des Besitzers und Teilzeitarbeiter in der Herberge), der die Hälfte seiner Zeit damit zubrachte mir persönliche Liebes-bekundungen ins Ohr zu säuseln und mir schwor wunderschöne Latte-Macchiato-Kinder zu machen. Die Tragödie gipfelte darin, dass Luca diesen dunkelhäutigen Spielgefährten namens "Pápi" am Ende mit "Papa" betitelte und mich noch die nächsten 3 Tage immer wieder fragte, wo sein Papa sei.
In der Herberge selbst traf ich dann eine Pilgerin wieder, der ich beim Wäschewaschen in unserer ersten Herberge in Portugalete begegnet bin. Nach einem gemeinsamen Kaffee fragte ich sie, ob sie mit uns später etwas essen gehen möchte und ging erst einmal Mittagsschlaf machen. Gegen 19:00 Uhr wachten wir auf und ich meinte außerhalb unseres Zimmers eine vertraute männliche Stimme zu hören. Tatsächlich war es einer der Pilger, mit denen ich mich hier verabredet hatte, der gerade mit der Deutschen, mit der ich mich wiederum zum Essen verabredet hatte, die Herberge verließ, um selbst mit ihr essen zu gehen. Ich traf die beiden an dem Abend nicht wieder.
Nachdem wir relativ spontan entschieden hatten, dass wir nach Santillana del Mar laufen werden, stiegen wir in Barreda mutig aus dem Zug. Ich blickte mich einmal um... nichts! Bravo! Wir sind im Nirgendwo. Ich weiß trotz Google Maps nicht, in welche Richtigung wir laufen müssen, und sehe auch keinen gelben Pfeil, der mir die Richtung zeigt - alles was ich sehe ist eine riesengroße Industrieanlage. Ich folge also meinem Instinkt und gehe an der Anlage vorbei, um bald darauf auf den Straßen die ersten gelben Pfeile zu sehen. Juhu! Was folgt sind zähe 4 Stunden Fußmarsch, bei Wind & Wetter...
Edit: Ich hatte im Kopf, dass wir an dem Tag 4 Stunden zu Fuß durch die Pampa gelaufen sind. Am Ende sind wir 7,5 km bei stetem Auf und Ab gelaufen. Dementsprechend fertig kamen wir in unserer wunderschönen Herberge in Santillana del Mar an. Von dem Städtchen an sich, bekam ich nicht sehr viel mit, aber ich erinnere mich noch heute an die Begegnungen, die ich vor Ort gemacht habe, und die unglaublich tollen Menschen, die ich kennenlernen durfte. Eine wunderbare Belohnung für die Bemühungen des Tages.
Oh Santander, Santander - was soll ich nur sagen?! Santander ist eine unglaubliche Stadt und sehr gut auf Kinder eingestellt: viele Spielplätze und andere Vergnügungsmöglichkeiten für Kinder und die Menschen haben immer ein Lächeln für die Kleinen parat. Ich habe mich dort pudelwohl gefühlt!
Insgesamt verbrachten wir drei volle Tage in dieser wunderbaren Stadt, bis wir am vierten Tag weiterzogen.
Abfahrt heute um 11:15 Uhr. Es ist 11:18 Uhr als wir hektisch zum kleinen Busbahnhof in Santoña rennen. Es fängt gerade an zu regnen und ich befürchte schon, dass wir den Bus verpassen, als wir aber in den Bahnhof einbiegen, sehen wir nur zwei kleine Busse anderer Busunternehmen, von unserem ALSA-Bus weit und breit keine Spur. Etwa eine halbe Stunde später trift er ein. Ich ärgere mich - langsam sollte ich es besser wissen!
Die Reisekrankheit foltert uns im Bus und wir müssen beide mit Übelkeit kämpfen, bis Luca schließlich pünktlich 5 Minuten vor Ankunft auf meinem Schoß einschläft... am Busbahnhof angekommen, packe ich also unser Handgepäck (zwei Beutel und Luca sein Rucksack) inklusive Luca selbst und hieve uns aus dem Bus. Erstmal setze ich das schlaftrunkene Kind auf die gelbe Bank und hole meinen Backpack. So langsam wacht er auf und realisiert, dass wir in einer neuen Stadt sind - gut, Zeit für einen Snack.
Auf meinem iPad suche ich per Google Maps nach der Route zur Pension, welche sogar relativ nah an beiden Bahnhöfen (Bus/Bahn) gelegen war, wie ich erleichtert feststelle. Dann bleibt mir die Suche danach am Tag unserer Abreise erspart.
In der Pension angekommen, ist die alte Dame, die die ganzen Zimmer verwaltet, ganz angetan von dem Gedanken, dass ich mit Luca den Jakobsweg gehe. Ob wir denn tatsächlich alles zu Fuß gehen, werde ich gefühlt bereits das zehnte Mal gefragt, seitdem wir in Spanien sind. "Natürlich nicht!" antworte ich wahrheitsgetreu, wozu gibt es schließlich "el tren" und "el autobus" - Eso es! (So ist es!)
Die Sachen ausgepackt, machen wir uns auch schon auf zu einem Spaziergang in die Stadt und an der Uferpromenade entlang. Im Gepäck Sandwich, Chorizo, Chips, Süßes und eine pinke Wasserflasche von Solán de Cabras, unser liebstes Wasser neben Evian. Alles gekauft im China-Shop ums Eck mit einer äußerst grimmig dreinschauenden Dame an der Kasse.
Zu Fuß machen wir uns auf den Weg zum Strand, ohne Plan immer der Uferpromenade entlang - verschwitzt und ausgelaugt kommen wir nach etwa 50 Minuten am Playa de Los Peligros an. Chill out. Als die Sonne untergeht, steigen wir die Treppen zur Höhenstraße hinauf und schlendern durch die Gassen der Stadt. Pure Freude erfüllt das Gesicht meines Kindes als er zum Abschluss des Tages noch eine Runde Karusell fahren darf.
Ursprünglich plante ich nur eine Nacht in Santander, sodass ich gestern Abend noch eine neue Pension buchen musste. Unser Check-out ist punkt 12. In die neue Pension, welche ironischerweiße eine Straße weiter liegt, können wir erst ab 14:00 Uhr einchecken, sodass wir unser Gepäck dort-lassen und mitteilten, dass wir gegen 17:00 Uhr wiederkommen würden.
Mit unseren Schwimmsachen im Gepäck und ein wenig Proviant von der China-Dame, welche heute auch nicht sonderlich besser drauf war, sind wir zum nächsten Kiosk-Stand marschiert, um uns ein Ticket für den Hop-on-Bus zu kaufen. Kaum im Bus und eine kurze Fahrt weiter, sind wir auch schon am menschenleeren Strand Sardinero, wo Luca und ich eine Sandburg bauen, da es für Schwimmen heute etwas zu kühl ist. Natürlich spielt Luca wieder Fangen mit den Wellen, die sich am Strand brechen, fällt aber kurz darauf in einen tiefen Mittagsschlaf. Um ihn vor der Sonne zu schützen, die hin und wieder zwischen den Wolken hervor kommt, bedecke ich ihn mit meinem Handtuch und einem Teil der Decke.
Da ich kein Handy-Akku mehr habe, weiß ich nicht wie viel Zeit verstrichen ist (vielleicht ca. 45-50 Minuten), also wecke ich Luca, weil mein Magen heftig knurrt und nach Essen verlangt. Wenig später und um ein Tages-menü in unseren Bäuchen reicher, bekommen wir auch direkt den letzten Hop-on-Bus - leider ist es zum Filmen jetzt schon zu dunkel.
Gegen 19:00 Uhr und befreit von jeglichem Zeitgefühl checken wir in unser winziges Zimmer ein. Der TV ist kaputt. Hm. Also Dusche und 21:00 Uhr Abendessen, wie üblich. Auf den Schlaf müssen wir an dem Abend nicht lange warten.
Fun Fact: Obwohl das Bett, in welchem Luca schlief, direkt an der Wand stand, schaffte er es trotzdem am Fußende kurz aus dem Bett zu fallen.
Aufgestanden, gefrühstückt und ab zum Spielplatz. Kurz darauf warten wir auch schon auf den Hop-On-Bus. Wir ergattern Plätze in der Front der oberen Etage, sodass ich alles filmen kann.
Was für eine entspannte Fahrt durch Santander!
Viel mehr als eine touristische Fahrt durch die Stadt passiert heute nicht. Nach der Tour gehen wir zurück zur Pension und machen Mittagschlaf. Am Abend gegen 20:00 Uhr gehen wir wieder raus und erkunden ein wenig die Innenstadt. Punkt 21:30 Uhr (übrigens typische spanische Abendessenzeit) sitzen wir wieder in unserem winzigen Zimmer und essen Abendbrot.
Gegen 9:00 Uhr frühstücken wir und verlassen kurz die Pension, weil ich Luca versprochen habe, dass er noch einmal zum Spielplatz darf. Gegen 12:00 Uhr checken wir aus und sitzen wenig später im Zug nach Torrelavega. Nach all den Spaziergängen ist mir nach einem faulen Tag, sodass geplant ist, dass wir nach einem gemütlichen Mittagessen mit Zug oder Bus zu unserem heutigen Tagesziel weiterfahren.
Im Zug erzähle ich Luca, dass die eigentliche Route des Jakobswegs ab Barreda über eine Landstraße nach Santillana del Mar führt, von wo aus wir auch pilgern könnten. Eine Station vor Barreda sagt er mir spontan, dass er laufen möchte, also steigen wir in Barreda aus... [Fortsetzung folgt]
Kaum wach, sind wir auch schon - nach einem kurzen Frühstück in dem Café nebenan - auf dem Weg zum Hafenspielplatz. Aufgrund der Hafenähe riecht hier morgens alles nach Fisch, da dieser an jederEcke(!) frisch verkauft wird. Die Menschen hier stehen naturgemäß Schlange, so es wohl ihr Hauptnahrungsmittel ist, denn Fleisch findet sich hier (außer in einem kleinen Döner-Laden) nirgends. Michtreibt der Geruch eher in die Flucht und zwingt mich dazu immer weiterzugehen. Auf dem Weg zum Hafen kreuzen wir einen kleinen Supermarkt und kaufen schon einmal das Wichtigste zum Abendbrot und fürdie Abreise morgen.
Nach einem ausgedehnten Mittagsschlaf, denn die Tage zuvor schlauchten ganz schön, schlendern wir am Abend gegen 9 mit frisch gewaschener Wäsche im Beutel durch die Gassen von Santoña und schlecken Eis, naschen Süßigkeiten und genießen eine singende Darbietung einiger Frauen einer wandernden Theatergruppe am Hauptplatz des Städtchens. Zurück in der Pension gibt es dann gegen 22:00 Uhr eine kleine Brotzeit mit Baguette, Frischkäse, Paprika, Würstchen und Chorizo. Den restlichen Abend chillen wir vor dem Fernseher und schauen Dirty Dancing in Spanisch.
Richtig wohl fühle ich mir hier nicht und bin froh, dass es morgen weitergeht - Laredo hingegen wäre sicherlich einen längern Aufenthalt wert gewesen!
Habe ich schon den Jetlag erwähnt?! Nach einer ruhigen Nacht und aufgeladenen Batterien sollte es eigentlich weiter nach Portugalete gehen, wenn da nicht mein Rucksack gewesen wäre, der sichgefühlt 10 kg schwerer anfühlte als am Tag zuvor. Verzweifelt sitze ich in Bilbao, und das noch bevor ich meine Reise so richtig begonnen habe. In der Pension frage ich, ob ich mein Gepäck vorerst dort lassen kann, bis ich eine Lösung gefunden habe.
So kam es, dass ich den halben Vormittag im Decathlon ums Eck einen Teil meiner "Ausrüstung" komplett ersetzte. Das bedeutete: leichte Schlafsäcke anstatt meines dicken Doppelschlafsacks, zwei ultradünne Shirts anstelle meines dicken Merinoshirts, 2 Paar Trekkingsocken anstelle meiner 5 Paar Sneakersocken. Ein paar Extras kamen natürlich dazu - ich bin eine Frau, das erklärt alles! Und damit Luca auch auf seine Kosten kommt, bekam er einen kleinen Ball und einen neuen Rucksack. Ohne Kuscheldecke durfte ich den Laden auch nicht verlassen! Dann noch schnell eine SIM-Karte besorgt und bloß raus aus der Mittagshitze!
Zurück in der Pension überkam Luca die Müdigkeit und während ich in der Abstellkammer ein- und aussortierte, hielt er dort auf dem aussortierten Schlafsack 2 Stunden Mittagschlaf. Am Ende fühlte sich der Rucksack immerhin 2 kg leichter an. Um 17:00 Uhr weckte ich Luca und mit einem fetten Sack, in den wir den Schlafsack eingepackt hatten, stolzierte ich durch die Straßen von Bilbao und schickte diesen mit ein paar Kleidungsstücken für unverschämte 56,00 € nach Hause... dann konnte es endlich mit der Metro weitergehen. Nach ungefähr 8 Stationen waren wir in Portugalete.
Ich war glücklich den Tag entspannt ausklingen lassen zu können, hatte ich mir doch extra ein Zimmer in einer Jugendherberge direkt an der Promenade reserviert. Die brütende Nachmittagshitze setzte mir nämlich zu und so verbrachten wir erstmal eine Weile auf dem Spielplatz der Schule, die gleich bei der Metro gelegen war.
Um 19:00 Uhr gingen wir weiter in Richtung Touristeninformation, die leider schon zu hatte. Ich zückte also das erste Mal mein iPad und schaute nach dem Weg zur Herberge. Luca verscheuchte in der Zeit (barfuß und zur Verwunderung einiger Spanier) Tauben auf dem Platz vor der Touristeninformation. Zum Glück war die Jugendherberge nur ein paar Schritte weiter (keine 2 Minuten) und voller Vorfreude klingelte ich. Nichts. Ich klingelte noch einmal. Nichts. Dann entdeckte ich den eigentlichen Eingang links in der Seitengasse, wo nach einem kurzen Klopfen von Luca auch schon ein verschlafen aussehender Spanier auf uns zukam. Er öffnet die Tür. Versteht kein Englisch. Bravo! Ich stottere also etwas von "reservado" und er reißt die Augen ungläubig auf und fragt mich "ahora?" - "ja, heute" bestätige ich auf Spanisch. Daraufhin schüttelt er ganz aufgeregt den Kopf und plappert in Spanisch irgendetwas davon, dass er neu sei, nicht wisse wie das mit den Resevierungen ablaufe und er nur wisse, das auf jeden Fall alles voll sei. Mir schießen sofort die Tränen ins Auge, aber ich beherrsche mich und frage den allwissenden jungen Mann, ob er uns erlaube ein paar Minuten im Vorraum zu verbringen, damit ich nach einer anderen Schlafmöglichkeit suchen kann. Mit einem Nicken und einer kurzen Handbewegung bestätigt er und zieht von dannen. Es war kurz nach 20:00 Uhr und wir hatten noch nichts gegessen. Ich hielt Luca die ganze Zeit bei Laune, in dem ich ihm versprach, dass es etwas zum Essen gäbe, wenn Mama ihren schweren Rucksack ins Hotel gebracht hat. Was war ich nur für eine Mutter, dachte ich kurz bei mir, aber ich musste handeln, wenn wir heute noch ein Bett bekommen wollten. Die nächste Pilgerherberge war schnell herausgesucht und so ging es den ganzen Weg, den wir zuvor mit Eis gemütlich hinuntergegangen waren geradewegs steil wieder bergauf. Inzwischen tat mir alles weh - das heißt ich hatte keine starken physischen Schmerzen, aber vom Kopf her wollte ich einfach keinen Schritt mehr weiter tun. Die Füße liefen und liefen in einem Automatismus bis wir in der Herberge ankamen. Dort brachte ich etwas schüchtern nur noch heraus: "Do you have a bed?" - und die Dame am Empfang bestätigte kurzerhand mit: "Sure!" Sofort ließ ich meinen Rucksack fallen und weinte aus Erleichterung. Ich fing mich kurz und erledigte den Papierkram. Luca durchforstete die vielen Räume. Wir bekamen ein 4-Bett-Zimmer für uns alleine und dann weinte ich noch einmal so richtig, als mich die Pilgermama in den Arm nahm und mir versicherte, dass nun alles gut sei.
Zwei Darmstädterinnen waren den Jakobsweg von Santiago aus rückwärts gegangen. Eine von ihnen sah Luca an, dann mich, und im nächsten Moment stand Abendessen auf dem Tisch: eine echte Brotzeit mit Käse, Salami, Joghurt und Limo. Welch ein Segen!
Frisch geduscht hüpfte Luca in sein Bett und ich machte mich ans Wäsche waschen - ich war von dem Tag noch so unter Strom und konnte nicht ruhig bleiben. Nachdem ich die Wäsche aufgehängt hatte, ging auch ich schlafen. Ich wachte zwar gegen halb 1 nachts auf und schrieb das erste Mal in mein Pilgertagebuch, aber ansonsten war die Nacht ruhig. Gegen halb 3 ging ich wieder ins Bett.
Heute habe ich für unseren Abflug am Montag den Backpack komplett fertig gepackt. Beim Abwiegen des Rucksacks kam dann der große Schock: 10 kg - uff! Das sind ganze 2 kg mehr als ich tragen möchte; das Schlimme ist jedoch, dass sich das Gewicht nicht mehr reduzieren lässt, weil ich ohnehin nur das Nötigste eingepackt habe. Grundsätzlich fühlen sich die 10 kg am Rücken nicht sonderlich schwer an, ich kann mir allerdings sehr gut vorstellen wie mühsam 10 kg werden können, wenn ich damit bereits mehr als eine Stunde unterwegs bin und noch mindestens eine weitere Stunde gehen muss... da lob ich mir wahrlich meine Planung mit einer Gesamtzeit von 3,5 Stunden pro Etappe. Ich hoffe und bete, dass das zu verschmerzen sein wird!
Da liegt er nun vor mir: der Pilgerpass! Mit dem "Credential del Peregrino" werde ich mich am Weg nach Santiago (Camino de Santiago) offiziell als Pilgerin ausweisen und uns damit Eintritt in die Pilgerherbergen gewähren können.
Wie man sieht, werde ich auch eine Kamera mitnehmen, um das Erlebte in Form von Fotos und Videos festzuhalten, so wie es sich meine Familie und Freunde wünschen. Wird sicherlich ungewohnt sein für das Videotagebuch mit Selfie-Stick in der Pampa herumzulaufen, aber ich tröste mich damit, dass mich keiner sieht oder zumindest nur wenige Mitpilgerer. Wobei ich annehme, dass - zumindest bei der Anzahl vorhandener Videos auf Youtube - es die Spanier bereits gewohnt sind, sowohl in den größeren Städten als auch in den kleinen Dörfern, die der Camino durchquert, den ein oder anderen Pilgergefährten mit Selfie-Stick zu sehen, sodass das dann für sie kein besonderer Anblick mehr ist.
Damit mir auch in Sachen Kommunikation nichts im Wege steht, lerne ich momentan täglich spanische Vokabeln, um meine Schulkenntnisse aufzufrischen. Interessanterweise sind die damals gelernten Worte nach jahrelang fehlender An-wendung schnell wieder da. Luca gefällt's und prabbelt mir auch schon fleißig nach; aber das Einzige, was er tatsächlich fließend sagen kann ist: "Soy (un) gato, bebo leche!", zu Deutsch "Ich bin (ein) Kater, ich trinke Milch!" - na dann. Das wird ihm sicher jeder Spanier sofort abnehmen ;-)