Tag 1 - Von Bilbao nach Portugalete

Habe ich schon den Jetlag erwähnt?! Nach einer ruhigen Nacht und aufgeladenen Batterien sollte es eigentlich weiter nach Portugalete gehen, wenn da nicht mein Rucksack gewesen wäre, der sichgefühlt 10 kg schwerer anfühlte als am Tag zuvor. Verzweifelt sitze ich in Bilbao, und das noch bevor ich meine Reise so richtig begonnen habe. In der Pension frage ich, ob ich mein Gepäck vorerst dort lassen kann, bis ich eine Lösung gefunden habe.

 

So kam es, dass ich den halben Vormittag im Decathlon ums Eck einen Teil meiner "Ausrüstung" komplett ersetzte. Das bedeutete: leichte Schlafsäcke anstatt meines dicken Doppelschlafsacks, zwei ultradünne Shirts anstelle meines dicken Merinoshirts, 2 Paar Trekkingsocken anstelle meiner 5 Paar Sneakersocken. Ein paar Extras kamen natürlich dazu - ich bin eine Frau, das erklärt alles! Und damit Luca auch auf seine Kosten kommt, bekam er einen kleinen Ball und einen neuen Rucksack. Ohne Kuscheldecke durfte ich den Laden auch nicht verlassen! Dann noch schnell eine SIM-Karte besorgt und bloß raus aus der Mittagshitze! 

 

Zurück in der Pension überkam Luca die Müdigkeit und während ich in der Abstellkammer ein- und aussortierte, hielt er dort auf dem aussortierten Schlafsack 2 Stunden Mittagschlaf. Am Ende fühlte sich der Rucksack immerhin 2 kg leichter an. Um 17:00 Uhr weckte ich Luca und mit einem fetten Sack, in den wir den Schlafsack eingepackt hatten, stolzierte ich durch die Straßen von Bilbao und schickte diesen mit ein paar Kleidungsstücken für unverschämte 56,00 € nach Hause... dann konnte es endlich mit der Metro weitergehen. Nach ungefähr 8 Stationen waren wir in Portugalete.

 

Ich war glücklich den Tag entspannt ausklingen lassen zu können, hatte ich mir doch extra ein Zimmer in einer Jugendherberge direkt an der Promenade reserviert. Die brütende Nachmittagshitze setzte mir nämlich zu und so verbrachten wir erstmal eine Weile auf dem Spielplatz der Schule, die gleich bei der Metro gelegen war.

 

Um 19:00 Uhr gingen wir weiter in Richtung Touristeninformation, die leider schon zu hatte. Ich zückte also das erste Mal mein iPad und schaute nach dem Weg zur Herberge. Luca verscheuchte in der Zeit (barfuß und zur Verwunderung einiger Spanier) Tauben auf dem Platz vor der Touristeninformation. Zum Glück war die Jugendherberge nur ein paar Schritte weiter (keine 2 Minuten) und voller Vorfreude klingelte ich. Nichts. Ich klingelte noch einmal. Nichts. Dann entdeckte ich den eigentlichen Eingang links in der Seitengasse, wo nach einem kurzen Klopfen von Luca auch schon ein verschlafen aussehender Spanier auf uns zukam. Er öffnet die Tür. Versteht kein Englisch. Bravo! Ich stottere also etwas von "reservado" und er reißt die Augen ungläubig auf und fragt mich "ahora?" - "ja, heute" bestätige ich auf Spanisch. Daraufhin schüttelt er ganz aufgeregt den Kopf und plappert in Spanisch irgendetwas davon, dass er neu sei, nicht wisse wie das mit den Resevierungen ablaufe und er nur wisse, das auf jeden Fall alles voll sei. Mir schießen sofort die Tränen ins Auge, aber ich beherrsche mich und frage den allwissenden jungen Mann, ob er uns erlaube ein paar Minuten im Vorraum zu verbringen, damit ich nach einer anderen Schlafmöglichkeit suchen kann. Mit einem Nicken und einer kurzen Handbewegung bestätigt er und zieht von dannen. Es war kurz nach 20:00 Uhr und wir hatten noch nichts gegessen. Ich hielt Luca die ganze Zeit bei Laune, in dem ich ihm versprach, dass es etwas zum Essen gäbe, wenn Mama ihren schweren Rucksack ins Hotel gebracht hat. Was war ich nur für eine Mutter, dachte ich kurz bei mir, aber ich musste handeln, wenn wir heute noch ein Bett bekommen wollten. Die nächste Pilgerherberge war schnell herausgesucht und so ging es den ganzen Weg, den wir zuvor mit Eis gemütlich hinuntergegangen waren geradewegs steil wieder bergauf. Inzwischen tat mir alles weh - das heißt ich hatte keine starken physischen Schmerzen, aber vom Kopf her wollte ich einfach keinen Schritt mehr weiter tun. Die Füße liefen und liefen in einem Automatismus bis wir in der Herberge ankamen. Dort brachte ich etwas schüchtern nur noch heraus: "Do you have a bed?" - und die Dame am Empfang bestätigte kurzerhand mit: "Sure!" Sofort ließ ich meinen Rucksack fallen und weinte aus Erleichterung. Ich fing mich kurz und erledigte den Papierkram. Luca durchforstete die vielen Räume. Wir bekamen ein 4-Bett-Zimmer für uns alleine und dann weinte ich noch einmal so richtig, als mich die Pilgermama in den Arm nahm und mir versicherte, dass nun alles gut sei.

 

Zwei Darmstädterinnen waren den Jakobsweg von Santiago aus rückwärts gegangen. Eine von ihnen sah Luca an, dann mich, und im nächsten Moment stand Abendessen auf dem Tisch: eine echte Brotzeit mit Käse, Salami, Joghurt und Limo. Welch ein Segen! 

 

Frisch geduscht hüpfte Luca in sein Bett und ich machte mich ans Wäsche waschen - ich war von dem Tag noch so unter Strom und konnte nicht ruhig bleiben. Nachdem ich die Wäsche aufgehängt hatte, ging auch ich schlafen. Ich wachte zwar gegen halb 1 nachts auf und schrieb das erste Mal in mein Pilgertagebuch, aber ansonsten war die Nacht ruhig. Gegen halb 3 ging ich wieder ins Bett.